Uraufführung bei den Nibelungen-Festspielen Worms: «Der Diplomat» von Feridun Zaimoglu und Günter Senkel

Am 12.07.2024 war bei den Nibelungen-Festspielen Worms die imposante Uraufführung von Feridun Zaimoglus und Günter Senkels «Der Diplomat» in der Regie von Roger Vontobel.

Szenenfoto (c) David Baltzer
© David Baltzer

Wenn sich das Jenseits öffnet, quellen die Toten voller Hunger durch den Riss in unserer Welt.

«Der Diplomat» 

«Dietrich von Bern lässt seine Widersacherin, die Kriegerin Witta, kampflos zurück, verliert seine Krone und agiert fortan als Bote des Hunnenkönigs Etzel. Dietrichs Vision: Gewaltfreiheit, Frieden. Das ist die Ausgangslage, in die Feridun Zaimoglu und Günter Senkel gnadenlos ihre Charaktere werfen … Die verhandelten Fragen in Der Diplomat sind brutal, die Fronten verhärtet, die Meinungen klar – und in dieser Gemengelage ist das Theater hervorragend geeignet, die unterschiedlichen Positionen auf der Bühne mal ohne Schaum vor dem Mund aufzurollen.» (Die Welt)

«Ein erneuter Coup für die Nibelungen-Festspiele: In Der Diplomat zeigen Zaimoglu / Senkel gemeinsam mit Regisseur Roger Vontobel, was es heißt, zwischen politischen Stühlen zu sitzen … Sie bauen dazu eine Sprache auf, die auf der Wormser Riesenbühne glutvoll auflebt.» (Die deutsche Bühne)

«Mit dem Bild des dauerblutenden Heldenleichnams (Siegfrieds) ist eine echte Setzung gelungen…, vor allem, weil sich metaphorisch kaum sprechender von einer Gegenwart erzählen ließe, in der Wunden sich nicht mehr schließen und scheinbar Vergangenes permanent ins Heute einblutet … Der Diplomat entwirft in erster Linie Psychogramme seiner Handlungsträger, die ihre Positionen im Machtgefüge anhand der Frage nach dem Wert des Friedens permanent neu justieren müssen.» (Nachtkritik)

«Ein Anti-Kriegsstück voller Gewalt und Niedertracht … Lösungen bietet die Inszenierung nicht. Aber sie macht die Sinnlosigkeit des Sterbens auf den Schlachtfeldern und die Fallstricke der Diplomatie erschreckend deutlich … Es gab in der Vergangenheit schon spektakulärere Aufführungen bei den Nibelungen-Festspielen. In diesem Jahr ist der gnadenlose Blick auf die Willkür der Mächtigen aber besonders zwingend.» (SWR)

«Ein dystopisches Stück, das den Frieden will und einen Rachekrieg entfacht. Man muss gut hinhören und dranbleiben, dann lohnt es sich, gerade im Bezug zur Gegenwart.» (Süddeutsche Zeitung)

«Dieses Bühnenwerk fängt die Düsternis der (Nibelungen-)Saga ein, die dadurch als Spiegel unserer schreckensgeplagten Epoche fungiert. Siegfrieds ‹Blut ist überall›, heißt es an einer Stelle. Solange eben die Kriege dieser Welt toben, wird es auch nicht gerinnen.» (die tageszeitung)

Feridun Zaimoglu

Feridun Zaimoglu

Feridun Zaimoglu, geboren 1964 im anatolischen Bolu und aufgewachsen in Deutschland, studierte Kunst und Humanmedizin.
1995 erschien sein erster Roman Kanak Sprak, gefolgt von Abschaum (1998), Koppstoff (1999, alle Rotbuch), Liebesmale, scharlachrot (Rotbuch, 2000, KiWi, 2002), dem «Kanak-Kultur-Kompendium» Kopf und Kragen (S. Fischer, 2001), German Amok (Kiepenheuer & Witsch, 2002), Leinwand (Rotbuch, 2003), Zwölf Gramm Glück (Kiepenheuer & Witsch, 2004), Leyla (Kiepenheuer & Witsch, 2006), Liebesbrand (Kiepenheuer & Witsch, 2008), Hinterland (Kiepenheuer & Witsch, 2009), Ruß (Kiepenheuer & Witsch, 2011), Isabel (Kiepenheuer & Witsch, 2014), Siebentürmeviertel (Kiepenheuer & Witsch, 2015), Evangelio (Kiepenheuer & Witsch, 2017), Die Geschichte der Frau (Kiepenheuer & Witsch, 2019) sowie Bewältigung (Kiepenheuer & Witsch, 2022).
Abschaum wurde unter dem Titel Kanak Attack in der Regie von Lars Becker verfilmt und kam 2000 in die Kinos.
Zusammen mit Thomas Röschner erhielt Zaimoglu 1997 den civis Hörfunk- und Fernsehpreis für Deutschland im Winter - Kanakistan. Eine Rap-Reportage.
Das Drehbuch Brandmal (geschrieben mit Günter Senkel) wurde 1998 mit dem Drehbuchpreis der Medienstiftung Schleswig-Holstein ausgezeichnet.
Außerdem war Zaimoglu Kolumnist für das Zeit-Magazin und hat u. a. für die Frankfurter Rundschau, Die Zeit, Spex und die Frankfurter Allgemeine Zeitung geschrieben.
2003 wurde mit Feridun Zaimoglus und Günter Senkels Bearbeitung von William Shakespeares Othello das Schauspielhaus der Münchner Kammerspiele nach seiner Renovierungspause wiedereröffnet. Ebenfalls 2003 war am Schauspiel Frankfurt die Uraufführung ihres ersten Theaterstücks Casino Leger. Für ihr Stück Schwarze Jungfrauen wurden Zaimoglu und Senkel in der Jahresumfrage von Theater heute auf Platz 2 der Dramatiker des Jahres 2006 gewählt.


Preise und Auszeichnungen (Auswahl):
Civis Hörfunk- und Fernsehpreis für Deutschland im Winter – Kanakistan. Eine Rap-Reportage (1997, zusammen mit Thomas Röschner), Friedrich-Hebbel-Preis (2002), Preis der Jury beim Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb in Klagenfurt (2003, für die Erzählung Häute), Stipendiat der Villa Massimo in Rom (2005), Adelbert-von-Chamisso-Preis (2005), Hugo-Ball-Preis der Stadt Pirmasens (2005), Kunstpreis des Landes Schleswig-Holstein (2006, gemeinsam mit Jochen Missfeld), Carl-Amery-Literaturpreis (2007), Grimmelshausen-Preis (2007, für Leyla), Tübinger Poetikdozentur (2007, zusammen mit Ilija Trojanow), Corine (2008, für Liebesbrand), Jakob-Wassermann-Literaturpreis der Stadt Fürth (2010), Kulturpreis der Stadt Kiel (2010), Preis der Literaturhäuser (2012), Heinrich-Heine-Gastdozentur (2012), Mainzer Stadtschreiber (2015), Berliner Literaturpreis (2016), Grimm-Poetikprofessur der Universität Kassel (2023).
Für Isabel, Siebentürmeviertel, Evangelio und Die Geschichte der Frau war Feridun Zaimoglu jeweils für den Deutschen bzw. den Leipziger Buchpreis nominiert.


Feridun Zaimoglu lebt seit 1985 in Kiel.

Günter Senkel

Günter Senkel

Günter Senkel wurde 1958 in Neumünster geboren. Ende der Siebziger trieb er sich abwechselnd als Wehrkraftzersetzer bei der Bundeswehr und auf dem Bauplatz in Brokdorf herum. Unter anderem arbeitete er als Plakatierer, Speditionskraftfahrer und Getränkeflaschen-Sortierer.
Sein Physikstudium gab er zugunsten einer eigenen Buchhandlung in Kiel auf, wo er seit 1997 als freier Autor lebt. Zusammen mit Feridun Zaimoglu schrieb er diverse Drehbücher, unter anderem Brandmal, das 1998 mit dem Drehbuchpreis der Medienstiftung Schleswig-Holstein (MSH) ausgezeichnet wurde.