«Dieser verdammte Körper … Extra Zero ist ein starker Text über Essstörungen, Bulimie, Fitnesswahn, letztlich auch über Depression und sehr viele Nöte junger Menschen. Elisabeth Pape erklärt nicht und doch erklärt sie sehr viel. Aber nie in simplen Kausalzusammenhängen. Die Stimmen der Figuren, die sie erfindet, bilden einen Chor der Ursachen … Alles was [die Autorin] an Wissen, Geschichten gesammelt hat, packt sie in diese Klinik hinein, und das mit schwarzem Aberwitz, mit ziemlich viel Irrsinn, der viel Wahrheit in sich trägt, nämlich die Wahrheit derer, die sich in so einer Klinik aufhalten müssen … Regisseurin Blanka Rádóczy hat ein untrügliches Gefühl für Rhythmus, Timing und theatrale Vorgänge. Hier baut sie getreu Papes Anleitung eine vielstimmige Fuge mit unterschiedlichen Mitteln. So entsteht ein therapeutischer Abend in ganz anderer Hinsicht: für unsere Gesellschaft und ihren nach wie vor verkorksten Umgang mit Krankheit und Körper.» (Süddeutsche Zeitung)
«Extra Zero ist eine Montage aus Einzelschicksalen, statistischem Material, klinischer Sprache, Slogans aus den Welten des Konsums, des Internets, des Wellnesswahns … Zuletzt erscheinen die Vier, die in der Anstalt sind, fast schon wie Helden der Verweigerung, ihre Krankheit als eine Revolte gegen eine Welt, in der längst alles bestimmt, kontrolliert, präzise definiert ist. Eine Welt, die dabei jedes Maß verloren hat. ‹Sie sind alle besessen vom Essen› – dieser Satz fällt im Stück. Und er gilt gewiss nicht nur für die Essgestörten.» (Die deutsche Bühne)
Der Text ist «das Ergebnis einer gewaltigen Recherche über das Thema ist von Nahrungswissenschaft bis Psychologie, von Netzwelten bis Betrugstechniken … ein Epos voll gut durchkomponierter Information … Man bekommt ein Gespür davon, wie der Dauerinformationsbeschuss durch das Internet diese Jugendlichen belastet. Der Druck der Eltern, ein gut funktionierendes Kind zu sein. Die Klinikumswelt mit ihren gnadenlosen Regeln. Aber vor allem dieses Grundgefühl, falsch zu sein, falsch im Körper.» (Nachtkritik)
«Wir finden uns als Publikum unweigerlich auf der Seite der Essgestörten wieder. Die Tatsache, dass man sie zwingen will, gesund zu werden, und auf welche Weise, löst Empörung aus.» (Deutschlandfunk Kultur)
«Die Online-Welten bestehen aus Schönheit, Fitness und Eiweißshakes, aus Squats, Crunches und Liegestützen. Vor allem Mädchen ziehen die Optimierungsversprechen in ihren Bann. Manche werden aufgesaugt, bis sich ihr Leben nur noch um Körper, Dünnsein und Nichtessen dreht. In diese Spannungen traut sich das Drama Extra Zero von Elisabeth Pape … Die Uraufführung zeigte viel Ernst, aber auch dramaturgisch gut dosierten, schwarzen Humor … Langsam legen sich die Gefühlslagen der Protagonisten auf die zuschauenden Beobachter, bis klar wird: Diese Krankheit endet nicht wie andere Süchte. Dazu ist das Essen zu sehr zum Statussymbol, zum fast schon religiösen Lifestyle geworden.» (Augsburger Allgemeine)
Am 11.10.2023 gastiert die Uraufführungsinszenierung des Staatstheater Augsburg anlässlich der Preisverleihung des Kleistförderpreises im Kleistforum Frankfurt / Oder.
Basierend auf Extra Zero wurde vom SWR die Musicalfassung Das Mädchen mit der Pringles-Dose als Hörspiel produziert (Regie: Mathias Noack / Oliver Martin), das am 18. Mai 2023 urgesendet wurde. Es ist derzeit online u. a. auf der Homepage des SWR abrufbar.
«Dieser verdammte Körper»: «Extra Zero» von Elisabeth Pape uraufgeführt
Ausgezeichnet mit dem Kleistförderpreis für junge Dramatikerinnen und Dramatiker 2023, wurde «Extra Zero» von Elisabeth Pape am 24.06.2023 am Staatstheater Augsburg uraufgeführt (Regie: Blanka Rádóczy): «Eine aberwitzige und absolut notwendige Uraufführung über Essstörungen» (Süddeutsche Zeitung).
CHOR:
Es muss doch jemanden geben, dem wir die Schuld geben können.
Wem können wir die Schuld geben?
Extra Zero
Alltag in einer Klinik für Essgestörte: Gewichtsüberprüfung, Essenskontrolle, Therapiesitzung, Essenskontrolle, Abendgestaltung und wieder von vorne. So lange, bis das Gewicht der Patient:innen mit den strengen Vorgaben der Institution übereinstimmt und das Leben in Freiheit wieder möglich ist. Dass die von permanenter Beobachtung geprägten Tagesabläufe gleichzeitig auch den Verlust von Privatsphäre und Selbstbestimmung bedeuten, muss mit Blick auf das große Ziel billigend in Kauf genommen werden. Allzu oft tragen die Patient:innen ihre Verzweiflung und Frustration mit sich selbst aus, zu mächtig ist die große Kontrollinstanz, als dass ein einzelner und noch dazu kranker Mensch sich ihr widersetzen könnte. Dessen Leben wird ohnehin von erbitterten Kämpfen dominiert: gegen den eigenen Körper, gegen den der anderen, gegen die auf ihn einprasselnden Idealvorstellungen von außen. Und wer soll sich da auch bitte noch auskennen, wenn plötzlich Selbstliebe und Body Positivity gepredigt werden und dabei die maximale Fixierung auf den gesunden Körper, gesunde Ernährung, gesundes Leben zu wieder neuem Optimierungsdruck führt? Wie ausbrechen aus diesem Teufelskreis?
In Extra Zero nimmt ein radikaler Chor der Essgestörten den Kampf gegen die stets maßregelnde Institution auf, gegen die Qual der stetigen Wiederholung und gegen die Angst vor der Leere, die sich hinter einem Leben ohne Zwang auftun könnte. Wütend, kraftvoll und mit viel schwarzem Humor stellt sich Elisabeth Pape der Komplexität der Essstörungen und schildert schonungslos und direkt den schweren Weg zu Genesung und Selbstakzeptanz.