Jugendstück über die Komplexität von künstlicher Intelligenz: «Iolaos Mantikor» von Markolf Naujoks

Am 22. Januar 2023 war die Uraufführung von «Iolaos Mantikor» von Markolf Naujoks am Jungen Theater Heidelberg (Regie: Yvonne Kespohl).

Szenenfoto (c) Susanne Reichardt
© Susanne Reichardt

SIMON
Die beiden sind wie ein Brunnen
in den ich hineingefallen bin 
Aber ich will gar nicht hinauf
glaube ich
Noch nicht 
Vielleicht irgendwann
Je tiefer ich tauche desto
mehr Geheimnisse flüstert mir der Brunnen zu

«Iolaos Mantikor» von Markolf Naujoks

Simon ist eigentlich ein unauffälliger Junge, eher still, eher schüchtern. Aber manchmal hat er heftige Wutausbrüche, die er kaum kontrollieren kann. Immer öfter eckt er damit in der Schule an, auch seine besten Freunde Jasper und Nico kommen kaum noch an ihn heran. Was sie nicht wissen: Simon hat jetzt Iolaos und Mantikor. Nur er kann sie sehen und hören, denn die beiden sind Avatare, von einer KI gesteuert und angeboten von einer Online-Plattform für virtuelle Freundschaften. Mit ihnen erlebt Simon die tollsten Abenteuer, treu stehen sie an seiner Seite, wissen genau, was in ihm vorgeht. Dass dies nicht aus ehrlichem Interesse geschieht, sondern durch einen besonders lernfähigen Algorithmus gelenkt ist, blendet er in seiner Begeisterung völlig aus. 

Doch je stärker und lauter Iolaos und Mantikor werden, desto mehr verlagert sich der stille, unsichere Teil von Simon in seine Albträume. Grausige Wesen treiben ihn darin zu der nahegelegenen Höhle und hinein in die unterirdische Finsternis, wo er sich selbst sieht, umschlossen von einem Kristall. Immer wieder derselbe Traum. Erst allmählich dringt der Verdacht zu ihm durch, dass die Freundschaft mit den Avataren nicht zu seinem Besten ist. Er spürt die Gefahr, die von ihnen ausgeht, und ahnt, dass es fast zu spät sein könnte, um sich von ihnen abzukehren. Aber sie einfach abschalten? Dafür haben sie längst zu viel Macht über ihn und sein Handeln, manipulieren ihn, haben sich mittlerweile zu eigenständigen Wesen entwickelt.

Markolf Naujoks Stück «greift die Themen Macht, soziale Kontrolle und erste Verliebtheit und einfühlsam die ganze Palette verwirrter Teenager-Gefühle auf … Iolaos Mantikor ist keineswegs reine Science-Fiction. Künstliche Intelligenz ist längst in unserem Alltag angekommen und Wissenschaftler sind gerade dabei, empathisch-befähigte Lernbegleiter zu programmieren. Das Stück bietet also reichlich Gesprächsstoff.» (Rhein-Neckar-Zeitung)

«Iolaos Mantikor wirft einen vielseitigen Blick auf mögliche Rollen künstlicher Intelligenzen im Leben Heranwachsender [und] … zeigt die Zweischneidigkeit intelligenter Simulationen, deren Existenz schon lange keine ferne Science-Fiction-Fantasie mehr ist. Besonderen Fokus legt das neue Jugendtheaterstück dabei nicht etwa auf die oft thematisierten Gefahren, sondern auf die ausgewogene Betrachtung beider Seiten – der Gefahren und der Nutzen.» (Rhein-Neckar-News)

SIMON    
Ich hab sie gelöscht
Und alles ist dunkel
Ganz unten in meinem Blickfeld
blinkt das Symbol der Betriebssoftware
System startet neu