«Selfie» von Christine Quintana erhält den IKARUS-Preis 2022

Als erste Produktion überhaupt erhält «Selfie» in der deutschsprachigen Erstaufführung des Grips Theaters (Übersetzung: John Birke, Regie: Maria Lilith Umbach) sowohl den Preis der Fachjury als auch den der Jugendjury.

Foto Christine Quintana
© Matt Reznek

Christine Quintanas Stück Selfie über (nicht nur) sexuelle Selbstbestimmung hat in der Produktion des Berliner Grips Theaters (Regie Maria Lilith Umbach) sowohl die Fachjury als auch die Jugendjury des IKARUS überzeugen können. Zum ersten Mal zeichneten beide Jurys dieselbe Inszenierung aus.

«Stimmt hier etwas nicht? - Keineswegs. Wir haben es nur mit einem außergewöhnlichen Fall zu tun. «Selfie» – die Grips-Theater-Inszenierung, der auch wir den IKARUS als herausragende Produktion im Bereich Jugendtheater verleihen – verhandelt ein Thema, von dem sich alle angesprochen fühlen können. Und sollten. Es geht um das, was im Englischen consent heißt. Die Zustimmung, das Einverständnis, die Übereinkunft ... Quintana bezieht das nicht nur auf sexuelle Verhältnisse, sondern auf alle sozialen Kontexte, auf Familien- wie auf Freundeskreise. Gerade dort, wo Gewalt nicht auf den ersten Blick als solche zu erkennen ist – weil sie zwischen Vertrauten stattfindet, weil die Situation vermeintlich nicht so eindeutig ist – muss umso genauer hingeschaut werden ... «Selfie» am Grips – nuanciert und mitnehmend gespielt von Yana Ermilova, Lisa Klabunde und Marius Lamprecht – geht klug mit solchen Doppelbelichtungen um. Und fordert dazu auf, hinter die Bildoberfläche zu schauen.» (Aus der Begründung der Fachjury)

«Trotz des so harten Themas, ist es nicht nur lehrreich sondern auch spannend, sich das Stück anzusehen. Man weiß nicht was als nächstes passieren soll, denn die Figuren haben selbst keine Ahnung, dieses Unwissen und die Unsicherheit, werden gut transportiert. Außerdem arbeitet «Selfie» ganz stark mit Empathie, wir fühlten mit Emma mit, ihre Verzweiflung mit der Situation sprang auf uns über ... Abschließend wollen wir sagen, dass wir allen sehr ans Herz legen, sich «​​​​​​​Selfie»​​​​​​​ anzusehen. Es ist ein Thema, zu dem man nicht sehr häufig ein Jugendtheaterstück sieht und das macht es um so wichtiger. Wenn man wieder herauskommt, hat man etwas dazu gelernt, was größte Bedeutung hat.» (Aus der Begründung der Jugendjury) 

Wir gratulieren dem Grips Theater, dem Produktionsteam, Christine Quintana und John Birke!

 

Selfie

Lily und Emma sind schon ewig beste Freundinnen; fast genau so lange schwärmt Emma schon für Lilys Bruder Chris. Auf einer Party kommen sich Chris und Emma endlich näher. Doch an das, was in der Nacht passiert ist, kann sich Emma am nächsten Tag nicht mehr erinnern. Statt glücklich verliebt zu sein, weicht sie Chris aus. Als dann noch die Polizei beginnt, Fragen zu stellen, entsteht Unruhe in der Schule. Lily ist hin- und hergerissen zwischen ihrer Freundin und der Loyalität zu ihrem Bruder – bis sie unbedacht ein Foto postet, das die Gerüchte erst richtig anfeuert.

In Selfie gibt es keinen Schurken, keine finsteren Absichten, keine K.-o.-Tropfen – und dennoch einen Übergriff. Chris und Emma – das hätte eine wunderbare Liebesgeschichte werden können. Warum es nicht dazu kommt, erzählt Selfie mit viel Fingerspitzengefühl und ohne einfache Schuldzuweisungen. «Quintana nutzt soziale Medien als Metapher für den Abstand zwischen Wirklichkeit und Wahrnehmung und für die Komplikationen, die dieser Abstand für Fragen von Sex und Einvernehmen bedeutet … Die Verwegenheit, mit der sie kontroverse Themen in all ihrer Komplexität zeigt, ist ein aufrichtiges Kompliment an ihr Publikum.» (The Globe and Mail)

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