© Eva Häberle
Paradiesstraße
Bearbeitet von Ulla LachauerBarbara Wachendorff
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„Ich bin ein Glückskind. An einem Sonntag bin ich geboren, den 19. Juni 1910, morgens, gerade in die Sonne hinein.“ So beginnen die Lebenserinnerungen der Bauerntochter Lena Grigoleit, die am äußersten Rand Ostpreußens im Dorf Bittehnen zur Welt kommt. Noch einmal lässt sie die Jahre an der Memel lebendig werden, erzählt von Tilsit und seinen Märkten, von der Roggenernte auf den Feldern, von ausgelassenen Festen und von Tagen der Trauer. Lena wird in der Schule „auf deutsch erzogen“, ist gerade zwölf Jahre alt, als Litauen das Land nördlich der Memel besetzt. Anderthalb Jahrzehnte später, inzwischen ist Lena Mutter einer Tochter, hat Hitler ihr Heimatdorf durch den Hitler-Stalin-Pakt wieder „heim ins Reich“ geholt. Das bisher friedliche Zusammenleben der Dorfbewohner wird mehr und mehr durch Misstrauen vergiftet. Die Gestapo versucht, Lena und ihren Mann als Spitzel anzuwerben; die Juden in der Umgebung, noch vor kurzem selbstverständlicher Teil der Gemeinschaft, werden deportiert oder getötet. Ende 1944 geht Lena mit der Familie auf den Treck nach Westen, kehrt aber schon 1945 in ihr zerstörtes Dorf zurück, das jetzt zu Russland gehört. 1951 wird die ganze Familie nach Sibirien umgesiedelt, lebt dort unter ärmlichsten Verhältnissen und wird Bittehnen erst Jahre später wieder sehen. Dort sind sie nun die einzigen Deutschen, ihr Hof gehört zu einer Kolchose. Und 1991, als wieder Panzer durch ihr Dorf rollen, denkt Lena nur: „Halt dich am Zaun, der Himmel ist hoch.“ Lebensbejahend und eigenständig durch Kriegswirren, Flucht und Vertreibung hindurch, ist ihr jedoch eines immer klar: Ihre Heimat ist hier, in Bittehnen, Paradiesstraße.
23.09.2010 Theater Münster (Regie: Barbara Wachendorff)
Die Aufführungsrechte für Amateur- und Schultheater stehen leider nicht zur Verfügung.