© Katja von Düffel
Der Geistige
Eine Meta-Komödie. Sehr frei nach Molière
3D / 3H
Hedonismus ist out, Askese ist die neue Religion. 30 Minuten duschen, heizen bei offenem Fenster: Das alles war noch nie sehr klug, doch nun ist es Verschwendung wertvoller, weil knapp werdender Ressourcen. Dem Unternehmer Orgon passt es daher gut, dass sein Freund Tartüff, der derzeit bei ihm wohnt, flammende Plädoyers fürs Sparen hält, auch wenn sich Tartüff selbst offenbar nicht immer daran hält und Wasser predigt, aber Wein trinkt (den Wein von Orgon, versteht sich). Trotzdem: Orgons Geschäfte laufen schlecht, das Privatvermögen schwindet – da hilft ihm Tartüffs Haltung, um der Familie klarzumachen, dass der Gürtel ab jetzt enger geschnallt werden muss. Die Frage ist nur: wie eng? Orgons Frau Elmire ist not amused, schließlich hat sie ihren Mann hauptsächlich wegen seines Geldes geheiratet. Genauso hatten Orgons Kinder Damis und Mariane fest damit gerechnet, irgendwann reiche Erben zu sein, anstatt einer lästigen Lohntätigkeit nachzugehen. Auf freiwillige Einsicht lässt sich hier also wenig hoffen. Immerhin steht Orgons Mutter Madame Pernelle ganz auf Tartüffs Seite, obwohl gerade ihr früheres Luxusleben mit schuld an der aktuellen Misere ist. Von akutem Wohlstandsverlust bedroht, opponieren plötzlich alle gegen alle, denn was für die einen die Pflicht zum moralisch richtigen Handeln ist, ist für die anderen ungeiler Geiz.
John von Düffel verknüpft Motive aus Molières Tartüff und Der Geizige zu einer böse pointierten Bestandsaufnahme der Gegenwart, die vor einer höchst unsicheren Zukunft steht.
Uraufführung:
09.12.2023 Stadttheater Bremerhaven (Regie: Tim Egloff)
Die Aufführungsrechte für Amateur- und Schultheater stehen leider nicht zur Verfügung.