«Psychogramm ostdeutschen Lebens»: Thomas Freyers «Dumme Jahre» uraufgeführt

Am 04.10.2024 war am Deutschen Nationaltheater Weimar die Uraufführung von Thomas Freyers Auftragswerk «Dumme Jahre» (Regie: Tilmann Köhler).

Szenenfoto DUMME JAHRE (c) Candy Welz
© Candy Welz

Alles dreht sich. Alles ist fremd. Als hätte man mich irgendwo ausgesetzt. Mit einem Zettel in der Hand, auf dem mein Name steht. Und ich muss zurückfinden. Nach Hause. Und das ist alles, was ich versteh.

«Dumme Jahre»

«Eine Familiengeschichte, die über mehr als ein halbes Jahrhundert hin von Deutschland vor und nach dem Mauerfall erzählt … Autor Thomas Freyer und Regisseur Tilmann Köhler sind nichts weniger als die bewährtesten und klügsten Seismographen dieser doppelt deutschen Geschichte … Diese Familie lädt in all den emotionalen und politischen Umbrüchen immer zum Mit-Empfinden ein, vielleicht sogar zur ‹Identifikation› … Manchmal geradeaus, manchmal auf Umwegen, manchmal im Blick zurück: Der Alltag birgt das schlimmste Drama. Und niemand wird ihm entkommen. Dumme Jahre ist ein herausragend gutes Theaterstück.» (Die deutsche Bühne)

«Ein berückender Abend über ein Leben in Anpassung an Härten … Freyer gibt Menschen Gesicht und Stimme, die sich immer noch vereinnahmt fühlen, als Partner zweiter Klasse. Er ist einer der führenden Theaterautoren mit Ostexpertise. Und legt auch hier seine Sonde zur Begutachtung der Verhältnisse im Osten an. Seine Familienaufstellung liefert keinen Blick von außen und von oben. Er geht mitten hinein in die Zerrissenheit der Menschen. Keine Welterklärung, sondern leise Töne quälender Schuld, die keine war, sondern Ohnmacht und Hilflosigkeit, sein Leben individuell planen und gestalten zu können. Von hier aus konnte nichts naht- und narbenlos zusammenwachsen, was angeblich zusammengehören soll … Ein Psychogramm ostdeutschen Lebens zwischen Maloche, Anpassung an sozialistische Gesellschaftsnormen und schrecklich verlogenen Staatsideologien … eine gespaltene Gesellschaft schizophrener Persönlichkeiten wächst so heran … Verstehen, warum alles ist, wie es ist, darum geht es. ‹Ich will mit niemandem abrechnen›, sagt Sohn Daniel zu seinen Eltern. Das ist auch der Vorsatz Thomas Freyers und aller, die diese Produktion zur deutsch-deutschen Einheit, die immer noch keine ist, realisiert haben.» (Nachtkritik)

«In eine Stimmung vereinfachender Entweder-oder-Polarisierung stellt Thomas Freyer ein schwerer begreif- und aushaltbares Sowohl-als-auch: die DDR als Gefängnis und als Heimat mit Grabesruhe und voller Leben. Sie konnte sehr gemütlich sein, aber höchst ungemütlich werden. Ihr Untergang in eines Lebens Mitte: Aufstieg und Fall zugleich. Dem begegnet Freyer mit liebevoll kritischem Blick … Dumme Jahre verbindet poetische Monologe und prägnante Dialoge, es vereint Anklage und Verteidigung. Als verdichtete Chronik einer Familie, die unchronologisch hin und her springt, weitet es den Horizont … Ein erinnerungswürdiger Abend über Erinnerung, ein liebenswürdiger Abend über Liebe. Und schlicht und einfach großartiges Theater.» (Thüringische Landeszeitung)

«Das Stück von Thomas Freyer hält die Wiedervereinigungserfahrung präsent, entwickelt seine Stärke aber vor allem dadurch, dass es kein reines Wendestück ist. Dem Thema tut es gut, einmal mit ernsthafter Beiläufigkeit im sonstigen Durcheinander einer individuellen Biographie dargestellt zu werden. Dumme Jahre ist also keine theatrale Fortführung der Ostanalysen von Oschmann über Mau bis Kowalczuk, es will keine Analysen oder Antworten liefern, sondern Erfahrungen offenlegen.» (Frankfurter Allgemeine Zeitung)

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